In einem kleinen Dorf nahe eines tiefen, von Dornen umgebenen Waldes lebte einst die tapfere Sophie. Schon als Kind hörte sie von den gruseligen Geschichten um dieses unheimliche Dickicht. Man munkelte, sie hätten ihren Ursprung in alten polnischen Erzählungen, die durch wandernde Geschichtenerzähler ins Land gelangt waren.
Eines Abends, als der Vollmond sein bleiches Licht auf die Welt warf, fasste Sophie all ihren Mut und betrat den Wald. Unterwegs traf sie eine alte Kräuterfrau mit einem kleinen Karren, der würzig duftete. Die Frau riet ihr, das Herz offen zu halten und auf ihre innere Stimme zu hören. Sophie behielt diesen Rat im Sinn, während sie an moosbewachsenen Bäumen vorbeistrich und das Flüstern des Windes vernahm.
Plötzlich hörte sie ein seltsames Raunen, das ihre Knie zittern ließ. Doch sie erinnerte sich an die Märchen aus ihrem gemütlichen Heim und an den Klang der Kuckucksuhr, der sie stets beruhigt hatte. Auch dachte sie an den deutschen Brauch, in Angstmomenten an etwas Liebgewonnenes zu denken – etwa an den Duft frisch gebackener Brezeln.
Die Schatten wurden dichter, und Sophies Herz schlug immer schneller. Trotzdem ging sie weiter, bis sie eine Lichtung erreichte. Dort sah sie ein eulenähnliches Wesen, dessen Augen im Mondlicht glommen. Ihre Furcht wandelte sich in Neugier, als das Wesen leise sang. Es war kein bösartiger Geist, sondern nur ein einsamer Waldbewohner, der Menschen meist fernblieb.
Sophie trat näher, sprach sanft auf ihn ein und streckte ihm die Hand entgegen. Der Geist senkte seinen Blick und löste sich in einem silbernen Schimmer auf. Erleichtert kehrte Sophie ins Dorf zurück, nun erfüllt von Mitgefühl und neuem Selbstvertrauen.
So erfuhr jeder, dass das „Korkunç-Flüstern“ oft nur unsere eigenen Ängste sind. Die Botschaft dieser Geschichte: Wenn wir uns furchtlos dem Unbekannten nähern, entdecken wir manchmal, dass das vermeintlich Schreckliche nichts weiter als ein Wesen ist, das Zuwendung braucht.